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bloggen als lifestyle

Wenn Realität zu Fiktion wird – bloggen als lifestyleprodukt, #mcvie

on 16. Oktober 2017

Am 2.12 ist in Wien das Mediencamp #mcvie . Interessierte Blogger, Vlogger, Journalisten und alle die sich das Schreiben zur Passion, oder zum Beruf machen, können dort ihre Thesen vertreten und diskutieren.

Für mich sind derlei Veranstaltungen Neuland. Als kleine „Familienbloggerin“ habe ich wenig Zeit mich mit Netzwerken und Co zu beschäftigen. Aber es gibt eine Sache die mich beschäftigt, und auf die ich keine Antwort habe. Was ist passiert, dass Blogs von Einblicken ins echte Leben, zu Marketingprodukten, Influencers und „bestof Photoshop“ wurden. Liegt es an den Menschen, die nur geschönte Bilder der Realität wollen? Die nur Berichte wollen, die ja keine Gedanken in Bezug auf ihr eigenes Leben auslösen könnten?

Wenn man sich den Ursprung von Weblogs ansieht, dann dienten sie dem Austausch von Informationen. Es ging darum, sich in seiner Peer Gruppe zu informieren und gegebenenfalls zu unterstützen. Eine Medizinerin erzählte in einer Dokumentation einmal, dass sie durch diesen Austausch von gegenseitigen Informationen gewisse Fehler vermeiden konnte, und nur durch dieses Fehlerausschlussprinzip zu einem sensationellen Forschungsergegebniss kommen konnte. Menschen in Ländern deren striktes Regime keine Informationen nach außen zulässt, können mit ihren Blogs Menschen außerhalb ihres Landes erreichen, und ihre tägliche Wahrheit erzählen. Klar, jede Geschichte die man erzählt, ist durch die eigene Perspektive schon geprägt, und ein Blogger kann nicht neutral sein. Denn wir erzählen unsere Geschichten aus unserer Perspektive. Mag sein, dass ich mit dieser Meinung in der Community anecke, aber das ist genau der Punkt – es ist eine Meinung!

Wenn ich einen Mamabeitrag schreibe, dann schreibe ich aus meiner Perspektive als Mutter. Wie ich mein Kind erlebe. Wie mein Kind ist, und meine soziale Umwelt. Ich behaupte jetzt einfach, dass das kein Patentrezept bietet, wie man jedes Kind erreicht.

Ich kann natürlich auch einen Beitrag aus meiner Persepktive als Pädagogin schreiben, aber wollen das die Menschen? Wollen sie wirklich noch eine „Fachmeinung“, wenn sie sowieso schon nicht mehr weiter wissen?

Schöne Blogs boomen. Blogs die viel zeigen. Die wunderschöne Bilder von Familie zeigen. Die Kinderzimmer entspringen einem schöner Wohnen Katalog, die Kinder haben immer megasüße Sachen an, und die Mütter schauen irgendwie nie müde aus. Die Sache ist die. Unser Kinderzimmer ist Chaos, mein Kind hat ständig Jogginghosen an, weil die pflegeleichter sind, und wenn ich nach einem langen Tag abends auf der Couch sitze, hab ich keine Lust mehr ein Konzept für den Blog zu erstellen, Videos und Bilder zu bearbeiten, oder für das nächste Foto Kuchen zu backen.

Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, wie das die anderen FamilybloggerInnen schaffen, ich weiß, ich stehle mir die Zeit für den Blog. Aber das bisschen was ich schaffe, mach ich gerne. Aber es schaut halt auch danach aus. Meine Bilder sind „pur“, meine Posts aus dem Herzen, und manchmal schreib ich länger nichts, weil ich es nicht schaffe.

Das ist die Bloggerrealität. Eigentlich. Und dann kommt wieder von außen die fast unschaffbare Aufgabe, man solle doch für seine Kooperationen Geld verlangen. Weil wir sind ja Influencer.  Hä? Ich bin doch unabhängig, und wenn was nicht gut ist, schreibe ich nicht darüber. Warum soll ich dann Geld dafür nehmen? Und wenn ja, wieviel ist meine Arbeit dann überhaupt wert? Soviel wie ich an Marketing und Equipment investiert habe? Die Art wie ich schreibe? Wieviel bin ich „wert“ als Bloggerin?

Und da erinnere ich mich. Wert ist ein Thema, dass uns Gesellschaft und Ausbildung zuschreiben Ich habe mich  mal bei einer FH für Journalismus beworben. Und beim der Gesprächsrunde von bereits aussortierten Teilnehmern kam die Frage, ob wir gegen Geld einen Bericht, der offensichtlich falsch ist, schreiben würden. Also sozusagen eine Auftragsarbeit im Sinne des Auftragsgebers. Und  ich erinnere mich, darauf mit ‚Nein‘ geantwortet zu haben. Denn ich verstehe Meinungsbildung als Journalistin als neutrale Arbeit und als Verantwortung, und ich kann nicht über zweifelhafte Inhalte schreiben, als wären sie nicht zweifelhaft. Meine Aussage dürfte mir den weiteren Weg in dieser FH verschlossen haben (so wie einer Freundin die die selbe Antwort gegeben hat). Allerdings würde ich das heute noch ein wenig adaptieren, ich gehe davon aus, dass es keine neutrale Berichterstattung gibt. Denn bereits die Auswahl des Themas unterliegt persönichen Kriterien, die Recherche ebenso und der Schreibstil auch irgendwie. Mag sein, dass jetzt Journalisten die Hände ringen, und die verdammten BloggerInnen verfluchen. Aber da sehen wir wiedermal wie sinnvoll Blogs sind, wir können unsere Meinung teilen und eine Diskusssion anregen, gerade weil uns keiner bezahlt.

Natürlich stellt mich das wieder vor das Problem, dass ich von meinem Blog nicht leben kann, und viel Zeit und Aufwand in etwas steckt, dass mir keinen finanziellen Nutzen bringt. Aber ganz ehrlich, hat unsere Welt nicht andere Probleme als Influencer, Marketing und bezahlte Posts? Wir erleben in Europa einen Rechtsruck, der einem Angst machen kann, wir verbarrikadieren uns und glauben damit das „Problem“ gelöst zu haben. Weltmächte schieben sich ihre Atombombentests unter, als wären es Gummidrops. Ein (vermeintlicher) Narzist hat den Code für den roten Knopf einer Weltmacht, mit dem Potential unsere gesamte Welt zu zerstören. Die Wüsten der Welt vergrößern sich, und wir leugnen immer noch unsere Verantwortung an der sich ändernden Umwelt. Bürgerkriege sind Alltag die Menschen flüchten lassen und ganze Generationen traumatisieren.  Vielleicht wär es mal Zeit sich an die großen Themen zu wagen, und da hinzuschauen, und Auswege zu finden, anstatt sich über den Stundensatz eines Bloggers zu unterhalten.

Wie wäre es die ganze Lifestyle Energie mal in etwas Wichtiges zu stecken? Zum Beispiel in Frieden in unseren Herzen und Leben, Unterstützung und Wege für ein Europa, dass stark sein kann und menschlich. Jobs für Menschen die arbeiten wollen. Löhne von denen man leben kann. Hilfe zur Selbsthilfe in dritte Welt Ländern. Die Reduktionen des ökologischen Fußabdrucks. Pädagogisch wertvolle Arbeit für und mit unseren Kindern, weil die unsere Zukunft sind, und für deren Zukunft die Gegenwart friedvoll gestaltet werden sollte. Also – genug zu tun für all die Blogger da draussen mit ihren Idealen und Wertvorstellungen!

 

 

 

Anm. d. Autorin, dieser Beitrag spiegelt ausschließlich die Gedanken der Autorin wieder. Er dient gegebenenfalls zur Grundlage und Diskussion im Mediencamp Wien. 

 

 

 

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