Mein Sohn hat in unserem Wohnzimmer bereits Spuren hinterlassen. Er liebt es die Wände mit seinem Matchboxautos rauf und runter zu fahren, und so haben wir schon ein schönes Gemälde bei der Couch. Und während er heute schläft, und ich seinen Schlaf bewache, fällt ein fast liebevoller Blick auf diese Spuren. Denn es ist unser Zuhause, unsere Heimat, und mitunter erkenne ich dies auch an den Spuren, die am ersten Blick vielleicht als Unordnung gelten.
Ich merke, dass der Begriff Heimat zurzeit so inflationär verwendet wird. Dabei ist es doch der Ort den man sich vertraut macht, wo man sein HEIM errichtet. Ich selber habe in den letzten 20 Jahren 18 davon in Wien verbracht, und diese Zeit hat mich geprägt. Und ebenso war in diesen 18 Jahren Wien meine Heimat. Jetzt, wieder in der Heimat meiner Kindheit, bemühe ich mich, für uns dieses Gefühl wiederzufinden. Obgleich ich hier geboren wurde, ist das Zurückkommen und sich hier Wiederfinden wie ein kompletter Neuanfang.
Aufsteirern in Graz
A. erzählt mir heute vom Aufsteirern. Da mein Kind krankheitshalber meinen Besuch bei diesem Event verhindert hatte, habe ich sie gebeten mir ein update zu geben und mir Fotos zu schicken. Und augenscheinlich ist das Aufsteirern wohl eine große Wies’n. Der Begriff von Heimat wird über Dirndl und Most, Lederhosen und Käsekrainer geführt. Vielfalt findet sich eher in den Farben der Dirndl, und eine Stadt die normalerweise ein buntes Kulturleben bietet, geht unter in Dirndl und Lederkluft, und irgendwie verschwindet alles was „anders“ ist. A. fühlte sich bei dem Spaziergang durch die Stadt, wie auf einem falschen Planeten. Sie empfand das riesige Stadtfest eher wie einen Paradelauf durch eine nationale Front, die sich auf eine Gesellschaftsschicht, Hautfarbe und eine Kleidungsuniform für Männlein und Weiblein beschränkt.
Der Luxus eine Heimat zu haben
Aber es sollte an jedem Tag in unserem Leben auch Raum dafür da sein, dass wir hier einen ganz besonderen Lebensluxus genießen. Wir können unsere Heimat wählen. Wir müssen weder vor Krieg, noch Verfolgung oder Hunger flüchten. Vor unseren Türen stehen jede Menge Menschen, die einfach den selben Traum haben. Ein gutes Leben. Ein Fest unter Freunden. Einfach frei leben dürfen, das Leben leben, die Familie bei sich zu haben und versorgen zu können. Menschen, die sich auf eine Reise begeben, um eine Heimat zu finden. Weil ihnen ihre Heimat genommen wurde. Und so bin ich entgegen A.s Meinung dass Heimat ein schöner Begriff ist, ein verbindender. Denn er zeigt uns, dass wir ein Zuhause haben. Dass wir in Sicherheit sind. Dass Raum für Geborgenheit, für Rituale da ist. Ich wünsche jedem einzelnen Menschen dieser Erde, dass er/sie das erfahren kann. Denn eine Heimat zu haben ist unser tiefstes Bedürfnis, schon seit der ersten Höhle die wir besiedelt haben. Aber es darf in unseren Zeiten nicht als Mittel zur Angstmache verwendet werden. Wir sind aus den Höhlen rausgekrabbelt und haben uns weiterentwickelt. Wir haben Sprache und Körpersprache deuten gelernt, um uns zu verständigen. Wir haben die Mittel und Wege, in einer Welt zu leben wo Frieden herrscht, und wo jedem Menschen das Recht auf ein friedliches Leben zusteht. Heimat ist eine Verpflichtung, auch das Fremde zu begrüßen, denn wahre Heimat kann nicht verschwinden, denn es ist ein Gefühl, dass in jedem von uns wohnt.
Und zum Aufsteirern sei gesagt, es ist von der Vorbereitung ein bisschen wie der Wiener Lifeball zu sehen, viel Kommerz, viel Aufwand, und jede Menge Alkohol und Bekleidungsempfehlungen. Es ist ein Wies’n Lifeball, da, um das Leben zu feiern, und manchmal ein bisschen ausufernd. Klar strapaziert dieses Fest den Begriff der Heimat sehr (ebenso wie auch so manche Wahlplakate), aber es zeigt mir persönlich auch ganz deutlich, die Sehnsucht der Menschen danach, ihren Clan zu finden und sich darin zu präsentieren.
Denn „niemand
ist eine Insel“.