Der Herbst kommt, und damit die Kuschelgefühle. Viele Menschen tendieren dann zu online Partnerbörsen, denn die Aussicht auf einen kalten Winter lässt unsere heißen Gefühle wieder auflodern. Vor allem die letzten drei Jahre haben viele Menschen auf online Dating umsteigen lassen, denn durch Lock downs, Verkehrsbeschränkungen, geschlossene Lokale und abgesagte Events lernte man kaum mehr Menschen kennen.
Und dieses online dating nimmt nun immer bizarrere Formen an.
Weiterlesen: Digitale Liebesfallen …. Weiterlesen: Digitale Liebesfallen ….Lasst uns damit beginnen, ja auch ich bin immer wieder mal online unterwegs, denn als Alleinerziehende im Dorf ist es nicht so dass man wirklich viel Auswahl hätte. Man will ja nicht ewig alleine bleiben, und wenn man einen kleinen Freundeskreis und kaum Freizeitaktivitäten hat, dann lernt man halt nicht so schnell jemand kennen. Und jedesmal wenn mir jemand eine „Erfolgsstory“ aus einer online Plattform erzählt, dann denk ich mir „love is possible“. Aber da gibt es auch jede Menge Fallen.
Wenn der Liebesalgorithmus eine Falle ist.
Nicht nur ich, sondern auch meine Freundin F. ist auf einer online Börse. Was ihr passiert ist, ist momentan Alltag im Haifischbecken online dating. Denn da tummeln sich nicht nur ‚love scammer‘ die alleinstehende Frauen um ihr Geld bringen, sondern auch offenbar andere Gestalten die darauf abzielen online Kontakt herzustellen, und die Frau solange zu bezirzen bis sie etwas tut, dass sie noch nie getan hat. Zum Beispiel „online s*x“. F. erzählte mir dass sie einen netten jungen Mann online kennen gelernt hatte, er wirkte völlig normal. Teilte bereitwillig Fotos von sich, kleine Videos. Hielt den Kontakt mit ihr, zeigte Bilder aus seinem Privatleben, ein Familienbetrieb. Sie vertraute ihm, obgleich sie nicht telefoniert hatten, aber die Macht der Bilder war so groß, dass sie das Gefühl hatte ihn zu kennen. F. ist eine sexuell sehr zurückhaltende Frau. Obgleich immer in Beziehungen gewesen, hat sie viele Dinge nie ausprobiert. Telefonsex fand sie albern und sich Fotos von Körperteilen zu senden sinnlos. Sie fand es unlogisch, wenn sie das „echte“ haben könne, warum solle sie dann etwas virtuell machen. Aber in den letzten Jahren war sie sehr einsam, ihre letzte Beziehung schon Jahre her, und so lange hatte sie sich nicht mehr begehrt gefühlt. Dieses Match gab ihr dieses Gefühl endlich gesehen zu werden. Und nur so konnte sie sich erklären, dass die dann eine für sie neue Form von intimen Miteinander hatte, bei der man sich gegenseitig Bilder und Videos schickte wie man an sich selber rumspielte. Kurz danach stellte sie fest dass ihre Gefühle für diesen Mann immer stärker wurden, und sie zog sich zurück weil er sie aber abwies, bzw keinem realen Treffen zustimmte. Eigentlich dachte sie damit sei das erledigt. Bis vor kurzem ein Freund sie anrief und sagte wiederum einer seiner Freunde habe sie auf einer online porno Plattform gesehen. F. war fertig mit der Welt. Es war ihr so wahnsinnig unangenehm, denn sie hatte dieses Erlebnis nur einmal in ihrem Leben geteilt, und war dann offenbar sofort Opfer einer Kampagne geworden, bei der Männer ihre Opfer zwar nicht finanziell ausbeuten, sondern die geschickten Bilder offenbar weiter verkaufen. Jener Freund meldete für sie dieses Bildmaterial und blockierte auch weiteres indem er einen Gesichtserkennungsfilter für sie installierte. Aber der Schock saß tief. Und die Frage was mit unsere Welt geschehen ist.
Online Dating sollte sicher sein
Die Sache ist die. Online Dating ist nicht mehr sicher. Nachdem mir F. diese Geschichte erzählt hatte, forschte ich im Internet und fand eine ganze Bewegung die sich mit dem „Love scamming“ beschäftigt. Hier werden Frauen (aber auch Männer) systematisch ausgebeutet und mit dubiosen Begründungen dazu gebracht entweder Geld zu waschen, oder sie überweisen ihren sogenannten Liebhabern riesige Summen. Ich denke auch diese Frauen werden jedesmal wenn sie sich selber Hand anlegen, an ihre Lover denken und die Sehnsucht an sie ihre Sinne beflügeln. In einem Beitrag erzählte ein Love scammer dass er bei jedem seiner Opfer ein Voodoo Ritual anwendete um sie gefügig zu machen, und er würde keine Bedenken habe die Frauen in den Ruin zu treiben, er sehe das wohl als ausgleichende Gerechtigkeit dass die erste Welt die dritte Welt ausgebeutet hat. Das schlimmste ist dann am Ende wohl die Scham, wenn die Frauen dann draufkommen, dass sie benutzt oder ausgebeutet wurden, ihre Bilder vielleicht weiter verkauft, und der Mensch der einem vertraut schien, nur ein Blender war. Im echten Leben hätten sie es gemerkt. Im echten Leben hätten sie viel früher Stopp geschrien, aber diese Sehnsucht nach Liebe hat sie immer und immer wieder zurück zu dem Betrüger geführt.
F. ging es auch nicht anders. Obgleich die Sache glimpflich verlaufen ist, fragt sie sich warum sie so dumm sein konnte? Sie arbeitet in einer Position wo sie sich derartige Bilder nicht leisten kann. Und trotzdem war ihr Vertrauen in einen Unbekannten größer als die Angst davor sich zu blamieren.
Angebot und Nachfrage beim Identitätsklau.
Also dass online dating von allen möglichen Menschen benutzt werden ist normal. Die Frage die sich mir aber stellt ist, wer benutzt Porno websites um sich an offensichtlich gestohlenen Bildern aufzugeilen? Ist den Menschen die das benutzen nicht klar, dass die Inhalte kriminell erworben sind? Dass der Preis für ihre sexuelle Gier die Erniedrigung einer Frau (oder Mannes) ist der niemals zugestimmt hat, dass diese Bilder verwendet wurden?
Ich selber wurde auch mal Opfer eines Identitätsdiebstahls. Mein Name samt Bild (das bei einem Blogger award verwendet wurde) wurde auf eine website gesetzt deren Inhalte eindeutig pornografisch waren. Mein Glück war das diese Website nicht nur meine Daten gestohlen hatte, sondern auch diejenigen die dieses Bloggerevent verwalteten, und diese große Firma hatte die technischen und rechtlichen Möglichkeiten die Website samt Inhalten dazu zu bringen, diese gestohlenen Daten runter zu nehmen. Ich kann mich noch gut erinnern wie verzweifelt ich zuerst war, denn jeder der meinen Namen googelte würde auch zu dieser Seite weiter geleitet.
Es ist keine digitale Revolution, es ist ein Krieg
Um mal hier klar zu sein. Ich finde jeder darf soviel Spaß haben wie er will, mit wem er will, und wer masturbieren will, soll das gerne tun. Aber uns muss klar sein, dass digitale Realitäten uns betrügen und nicht unsere Freunde sind. Das Menschen viel sagen, und Algorithmen noch viel mehr.
Ich finde dass wir aufhören sollten diese „digitalen Errungenschaften“ als ausschließlich positiv zu sehen. Denn Fakt ist, all diese virtuellen Wahrheiten können gegen uns verwendet werden. Sei es Telefonsex, oder ein Sexchat, seien es Einkaufslisten, oder eine virtuelle Assistentin die alles mithört was wir so am Tag erleben. Das ist nicht mehr normal!
Wir opfern unsere Privatsphäre willig einer vollkommen überwachten Gesellschaft. Wir lassen unsere Telefone nicht mehr aus den Händen, teilen unser medizinischen Informationen über einen Scancode, und halten ein Handy an den Bankomaten. Auf den Händen unsere Kinder sind Smart Uhren mit Tracking und Biosensor. All unsere medizinische Daten werden erfasst und gedeutet.
Finde deinen Weg zurück zu dir
F. hat nun einiges geändert. Die Liebe ihres Lebens will sie immer noch treffen. Aber sie möchte mit ihren online matches nicht mehr chatten. Ihr Motto ist ab sofort „Real oder gar nicht“. Sie hat einen ordentlichen Schreck bekommen, und froh dass sie quasi nur mit ein kurzfristig lädierter Reputation davon gekommen ist.
Nach unserem Gespräch haben wir die Gegenfrage für sie entwickelt „warum weißt du denn das es so ein Video/bild von mir gibt?“ Denn auf diese Frage müsste denn das Gegenüber unweigerlich zugeben dass es eine porno Plattform besucht hat, und das würde keiner freiwillig zugeben. Außerdem habe ich F. von einem Frauenseminar erzählt, dass unter anderem Frauenkreise macht wo sich Frauen selber befriedigen. Im Zweifelsfall war ihr Bildmaterial einfach ein Frauenseminar.
Aber zum Kern der Sache. F., so wie ich und viele andere Frauen und Männer, wir haben uns in digitale Realitäten geflüchtet. Die Einsamkeit die in den letzten Jahren unter uns zwischenmenschlich geschaffen wurde, forderte ihren Tribut. Aber wir sind Kinder der 70er. Wir sind ganz gut aufgewachsen ohne Smart Technologie, ohne virtuelle Realitäten, Smartuhren, oder Playstation. Das ist unser Vorteil. Uns von einer digitalen Kralle zu entwöhnen, fällt uns leichter als vielleicht digital natives die schon von Geburt an denken, dass das notwendig ist. Hier ist das Geheimnis. ES IST NICHT NOTWENDIG.
Was brauchen wir um glücklich zu sein?
Soziale Beziehungen, eine Aufgabe die uns glücklich macht, Natur erleben, gut schlafen, und nahrhaft essen. Wir brauchen positive Erlebnisse, REAL, die uns lächeln lassen. Wir brauchen auch die Tränen, die Wut und Einsamkeit. Weil wir erst dann wissen was wir haben, wenn wir lachen, wenn wir Freunde zum Essen einladen und einfach so mal am Dorfplatz tanzen.
Deswegen mein heutiger Impuls für F. , für mich, und für alle dich sich schon einmal mit virtueller Realität betrügen ließen.
Geh hinaus und lebe dein Leben.
Lass das Telefon zuhause liegen, du hast eine Mailbox.
Höre Musik auf Schallplatten, auf CDs.
Gehe in die Natur.
Rufe Menschen an und verabrede dich normal.
Und als kleine Ergänzung für onlinedating, hör auf zu schreiben, und sei kompromisslos. Wer dich sehen will, wird einen Weg finden dich zu treffen. Lass dich nicht verleiten eine digitale Realität als dein Leben zu sehen, denn am Ende wird das echte Leben das sein, dass dich nährt und das dich zum Menschen macht.
Denn du wirst eines niemals sein. Ein Algorithmus. Du bist und bleibst Mensch, und wenn du dich daran erinnerst, wird auf einmal etwas wiederkommen, dass du so lange vermisst hast. Dein Lebensgefühl, dein Pulsschlag, die unbändige Lust zu leben.
Ich persönlich habe vor die 70er wieder aufleben zu lassen. Nicht unbedingt modisch. Sondern menschlich. Weil ich davon überzeugt bin, dass meine Kindheit mit Abstand die beste war die man haben konnte, und das gönne ich jedem anderen Menschen auf der Welt.
Und F. und ich werden uns jetzt übrigens öfters zu gemeinsamen Essen treffen wo wir kochen und miteinander plaudern. So einfach dieser Schritt, und viel zu lange aufgeschoben.